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Wie entwickle ich Figuren?

 

Ich und du, du und Welt -

Wie entwickle ich Figuren?

 

 

Wie mache ich das - eine Figur entwickeln? Kann ich eine Figur einfach "erfinden"?

 

Wenn du mit den von dir geschaffenen Figuren glücklich bist - dann ist alles gut. Ich werde dir dann nicht sagen, wie du bessere Figuren erschaffst.

Hier findest du aber ein paar Anhaltspunkte, wenn du das Gefühl hast, dass deine Figur zum Beispiel nicht richtig greifbar aus dem Text hervortritt oder wenn du zwar eine lose Idee, aber noch keinen starken Charakter hast.

 

Wir neigen dazu, Figuren, also Charaktere in fiktiven Geschichten, auf eine von zwei Arten zu entwickeln: Entweder wir schreiben sie intuitiv herunter. Dann lehnen wir sie meist stark an uns selbst oder eine uns bekannte oder andere fiktive Figur an oder auch an ein Stereotyp.

 

Oder wir entwickeln sie am Reißbrett, nach einem logischen Prinzip.

 

Beides limitiert unsere Charaktere.

 

Idealerweise finden wir einen organischeren Weg zu unseren Charakteren. Einen, der davon ausgeht, was uns interessiert und beschäftigt, ohne vollkommen vom Autopiloten unseres Unterbewusstseins gesteuert zu sein.

 

 

Der Leser und ich und die Figur

 

Zuerstmal möchte ich eins voranschicken: Wenn ich eine Geschichte mit Figuren schreiben, dann tue ich das in aller, aller Regel für einen Leser. Mir vorzumachen, ich schreibe das nur für mich, ist dann nicht hilfreich. Wenn ich den Wunsch habe, jemandem eine Geschichte zu erzählen, sollte ich mir das „eingestehen“.

 

Das heißt nicht, dass ich mich dem Leser anbiedern und ihm nur geben muss, was er gerne hätte. Aber ich muss mir klar machen, dass das, was ich sagen will, vermittelt werden muss, dass es einen Weg von mir zu ihm gibt. Auch wenn ich ihm und er mir nahekommen will, sind wir nicht exakt dieselbe Person.

 

 

Fragen wir uns also: Welche Figuren findet ein Leser interessant?

Dazu beginnen wir am Besten mit uns selbst. Welche Figuren findest du interessant? Und warum findest du sie interessant?

Wenn ich über diese Frage nachdenke, komme ich vor allem auf zwei unterschiedliche Arten von interessanten Figuren:

  • Die einen finde ich interessant, weil ich ihr Thema bzw. ihren Grundkonflikt schon interessant finde.
  • Die anderen finde ich interessant, obwohl mich ihr zentrales Thema eigentlich nicht besonders interessiert - aber sie sind auf eine Weise gestaltet, dass sie mir interessant erscheinen und ihr Thema mir zugänglich wird.

Oft behaupten wir, eine Figur sei so gut geschrieben, geschaffen, so gut gemacht - in Wahrheit aber ist es vor allem ihr Grundkonflikt, der uns anspricht, weil wir mit ihm etwas anfangen können. Wenn das Buch dann handwerklich einigermaßen gut gemacht ist, sind wir als Leser oft schon befriedigt.

Ich will gleich noch eine weitere Ansicht über Figuren ein wenig zurechtrücken.

 

Es geht mir um die berühmte Dreidimensionalität.

Wir sprechen davon, eine Figur müsse dreidimensional sein und meinen damit manchmal, dass sie viele Seiten haben, lebensecht sein soll. Sie soll auf keinen Fall flach sein.

Und natürlich stimmt das: eine Figur, die immer nur eine Lachfigur ist, ein schlechter Witz, macht nicht viel her. Einem Charakter, mit dem wir nichts als leblose Perfektion verbinden, wollen wir selten folgen. Wir lieben die kleinen Eigenheiten der Figuren und ihre Widersprüche. Aber.

Versuchen wir aber tatsächlich eine Figur so komplex zu kreieren, wie sie im echten Leben ist, so werden wir beim Leser scheitern - eine solche Figur wird verwirrend und als nicht greifbar wahrgenommen werden. Wenn wir schreiben, formen wir. Wir wählen aus und reduzieren. Mal mehr, mal weniger.

 

Ein Leser kann nicht alles in alle Richtungen aufnehmen. Er wird unweigerlich bestimmten Linien folgen, aussortieren, Dinge in eine bestimmte Richtung interpretieren. Zu viele Nebeninformationen, die er nicht als  Nebeninfos erkennen kann, verwirren ihn und verschließen ihm den Text beziehungsweise die Figuren. Das ist nicht seine Schuld! Wir sind dafür verantwortlich, ihm Orientierung zu ermöglichen. Dreidimensionalität bedeutet manchmal genau das: Drei Dimensionen - und nicht mehr.

 

 

Jetzt bin ich gerade ein bisschen zur Seite gesprungen. Stellen wir uns noch einmal die Frage: Was macht eine Figur für einen Leser interessant?

 

Alle ganz einfachen Antworten auf diese Frage halte ich für leichten Unfug, denn jeder von uns liest anders und aus anderen Gründen. Trotzdem gibt es ein paar Motive, warum eine Figur auf uns anziehend wirkt. Ich zähle hier mal ein paar auf.

  • Wir sehen in ihr das Entwicklungspotential. Heißt: Wir erkennen, dass die Figur grundsätzlich dreimensional und lebendig ist, dass ihr aber noch etwas fehlt: Eine Erkenntnis, eine Erfahrung, ein Partner, eine Versöhnung.

  • Die Figur ermöglicht uns, uns zumindest in einem Punkt mit ihr zu identifizieren. So fühlen wir mit ihr mit, wenn wir es kommen sehen, dass sie leiden wird, dass sie enttäuscht werden wird, dass sie unerwartete Zuneigung erfahren wird...

  • Die Person hat einen Grundkonflikt, der uns in unserem Leben so nahe ist, dass wir oft sogar bereit sind, über etliche handwerkliche Mängel oder Klischees hinwegzusehen... Zum Beispiel ein Vater-Sohn-Konflikt, den wir auch erleben, Verlassenwerden durch eine geliebte Person, die Unfähigkeit, seine Gefühle auszudrücken...

  • Einige Entwicklungsthemen sprechen uns per se an: Etwas ganz Neues unerwartet lieben lernen. Ein unüberwindbar geglaubtes Hindernis überwinden. Eine innere Versteinerung auflösen, eine unmöglich geglaubte Liebe leben, das Aufdecken eines Geheimnisses... Wir sind darauf getrimmt, das Entwicklungspotential in einer Geschichte vorauszuahnen, also zu antizipieren. Wir sehnen uns nach dem Sinn einer Geschichte - und das bedeutet, schlussendlich, das Schicksal unserer Figuren zu erfahren.

  • Eine Figur ist so lebendig oder geschickt gestaltet, dass wir in ihr jemanden erkennen, den wir im echten Leben kennen. Wir scheinen etwas über das Leben zu erfahren. Wir erleben eine Auflösung eines echten Konflikts, eine mögliche Auflösung einer bestehenden Unklarheit.

  • Wir sehnen uns nach epischer Gerechtigkeit für eine Figur, der noch keine „Gerechtigkeit“ widerfahren ist.

 

Zum Teil überschneiden sich diese Punkte stark und betrachten die Sache nur von unterschiedlichen Seiten.

Alles in allem aber drehen sie sich um zwei Themen: Entwicklung der Figur und Antizipation (Vorausahnung) des Lesers.

Ich fasse sie kurz einmal so zusammen:

 

Die Figur hat, ob bewusst oder unbewusst, ein Defizit, einen Mangel. Der Leser, der sich mit ihr identifiziert, will dieses Defizit erfüllt sehen. Ob das am Ende geschieht, ist dem Autor überlassen. Doch bis dahin will der Leser der Geschichte folgen.

 

Es ist also nicht allein die literarische Ausstattung und Ausgestaltung einer Figur, die sie für uns interessant macht. Das sind vielmehr die Grundlagen, die wir ihr mitgeben müssen, damit der Leser mehr als einen Schatten in ihr sieht. Dann aber sind es vor allem ihre Dynamik und Entwicklung, unsere Vorausahnung und Überraschung, die uns mit einer Figur mitgehen lassen.

 

 

Menschen-Typen: Eneagramme, Myer-Briggs

Einer der besten Tipps, die ich zum Schreiben bekommen habe, war die Anmerkung meiner Dozentin für dramatisches Schreiben. Sie sagte, es habe ihr die Augen geöffnet, sich mit Eneagrammen zu beschäftigen. Sie sah plötzlich, dass sie bis dahin immer Figuren geschrieben hatte, die im Grunde alle der gleiche Typ waren - nämlich wie sie selbst. Das geht den meisten Autoren so.

Ich selbst habe mich statt mit Eneagrammen mit den Typen nach Myer-Briggs beschäftigt. Es geht dabei nicht darum, ob wir diese Einteilungen für korrekt halten (oder gar für starr) - die psychologische Forschung ist davon auch weniger begeistert - sondern darum, dass wir grundsätzlich verstehen, dass Menschen in ihrem Leben unterschiedliche Ziele und Werte haben. Ja, wir alle sehnen uns nach Liebe und Anerkennung - aber manche eben mehr nach Anerkennung, andere mehr nach Liebe. Manche Menschen tun alles, um Macht zu erlangen - aber andere eben nicht. Dass Menschen hier unterschiedliche Prioritäten haben - dass nicht alle gleichermaßen auf Sinnsuche sind, dass nicht alle sich gleichermaßen nach Sicherheit sehnen, das scheinen wir alle zu wissen. Aber es uns wirklich bewusst zu machen, kann uns beim Schreiben von Figuren sehr helfen.

Es führt uns zu der Frage:

Was ist die eine Sache, für die deine Figur im Zweifel alles andere eintauschen würde?

Die Antwort kann abstrakt sein: Sicherheit. Wahrgenommen werden. Oder konkret: ein Lamborghini Genesis. Die Liebe ihres Sohns. Einmal durch die verbotene Stadt gehen.

 

Es gibt ein Konzept des literarischen Schreibens, das dem nicht fernliegt. Insbesondere Lajos Egri hat es brilliant einfach und extrem lesenswert vertreten (Lajos Egri, The Art of Creative Writing, deutsch: Literarisches Schreiben.) Demnach entstehen die stärksten Texte komplett aus ihren Figuren. Ich nenne es "literarisches Schreiben wie in den 50ern", obwohl beileibe nicht nur in den 50ern so geschrieben wurde. Doch jedesmal, wenn ich daran denke, sehe ich Elizabeth Taylor in Cat on a Hot Tin Roof vor mir.

Das Konzept schafft sehr anziehende Figuren, die immer noch die Fähigkeit haben, uns sehr bewegen. Die gesamte Handlung einer Geschichte geschieht aus dem Fehler oder dem Ziel einer Figur heraus. Mit diesem Fehler oder Ziel trifft sie auf ihre Umwelt und es muss einfach etwas passieren.

Was diesem Konzept weitgehend fehlt, ist ein systemisches Verständnis unserer Welt. Emotional sind diese Geschichten wuchtig und packend, doch heute derart geschriebene Stories wirken oft merkwürdig anachronistisch. Die Kunst liegt heute wohl darin, emotional greifbare Charaktere auf eine Umwelt treffen zu lassen, die sich von ihr nicht einfach formen lässt.

 

Also: Ja, Figuren können die treibende Kraft einer Geschichte sein. Aber nicht alle Geschichten funktionieren auf diese Weise. Schon gar nicht die, deren Autoren eigentlich gar nicht besonders an Figuren interessiert sind.

 

Ich habe deshalb noch ein paar Fragen an dich, bevor wir zu konkreten Methoden kommen.

Was ist deine Figur eigentlich für dich? Welche Haltung hast du zu ihr?

Welche Haltung hast du zur Welt - und welche Haltung hat deine Figur zur Welt? Warum schreibst du?

  • Interessiert dich eine bestimmte Person, ein Charakter, den du nicht ganz entziffern kannst?
  • Interessiert dich die Wirkung, die ein Mensch auf seine Umwelt hat?
  • Interessieren dich die Folgen, die das Handeln eines Menschen auf seine Umwelt hat?
  • Oder geht es dir eigentlich um etwas ganz anderes – eine Atmosphäre? Ein System? Ein philosophisches Thema – und die Figur dient nur der „Veranschaulichung“? In diesen Fällen ist es besser, wenn du dich  nicht auf Figuren konzentrierst und so tust, als seien sie der Dreh- und Angelpunkt – wenn sie es für dich eigentlich nicht sind. Du musst auch nicht zwanghaft Figuren mit besonderen Eigenschaften „ausstatten“, wenn sie eigentlich ein absoluter Jedermann ist. Du musst dir dann nur sehr genau überlegen, ob sie wirklich dieser Jedermann ist, oder ob du ihr "aus Versehen" nicht doch Eigenschaften von dir oder deiner Mutter mitgegeben hast. Das wirkt dann auf den Leser wie ein Fehler in der Matrix (was es ja irgendwie auch ist).

 

Wenn du weißt, wie du als Autor zur Welt stehst, dann kannst du wahrscheinlich diese Frage besser beantworten:

Wie steht deine Figur zu ihrer Umwelt?

 

Wie verhält sich deine Figur zur Welt?

Wirkt sie vor allem auf ihre Welt ein?

Wirkt die Welt vor allem auf sie ein?

Gibt es einen gleichberechtigten Austausch (=Kampf) zwischen Welt und ihr?

Hat sie andere gleichberechtigte Figuren neben sich?

Oder hat sie eine einzige andere, gleichberechtigte Figur neben ihr? (Dann ist die Entwicklung der Figur vermutlich eine spiegelnde oder konträre Bewegung der Figuren - oder aber es geht dir um die Entwicklung der Beziehung. Mach dir klar, was der Kern deiner Geschichte ist.)

 

 

Werden wir konkret!

Wie kommst du nun ganz praktisch zu einer interessanten Figur?

 

Stell dir folgende Fragen:

 

Welche Figuren in meiner Umgebung reizen mich besonders, ein Porträt zu schreiben?

Was ist der springende Punkt an ihnen? Der Widerspruch in ihnen – oder der Gegensatz zu mir – der mich interessiert?

Welche Entwicklung haben meine Eltern genommen, meine besten Freunde, meine Geschwister – in 3 Stadien – und welche finde ich besonders interessant? Warum finde ich sie interessant?

 

 

Ein sehr konkreter Anfang kann auch die 3-Faktoren-Methode sein.

Welche Person, die du kennst, interessiert dich?

Schreib 3 Wörter auf, die du besonders mit ihr verbindest, und zwar konkrete Wörter, also Nomen oder Verben, aber keine abstrakten Worte wie "Großzügigkeit" oder "Freude", sondern z.B. Geldbörse - klettern - Kalender.

Dann wähl das eine Wort aus, das am ehesten im Widerspruch zu den anderen beiden steht.

Du kannst für ein und dieselbe Person mehrmals solche 3-Faktoren aufschreiben, bis du da bist, wo du hinwillst.

 

Dies ist eine kleine Übung, die dir die Widersprüche verdeutlichen kann, die wir alle in uns haben. Auch deine Figur sollte solche Widersprüche in sich tragen. Gleichzeitig vereinfacht die Übung eine Person natürlich extrem gegenüber der Realität, und das ist etwas, was wir als Schreibende in einer Geschichte ebenfalls tun müssen - wenn auch nicht so radikal.

 

Der dritte Faktor kann, wenn wir die Übung später ausbauen willen, so etwas wie das „Problem“ der Figur, oder auch ihre Chance sein - also ihr Entwicklungs- oder Fallpotential.

 

 

Kann ich eine Figur „erfinden“?

Probleme beim Entwickeln von Figuren - and how to fix them

 

Das größte Problem beim Figurenentwickeln ist, dass wir uns unsere Figur oft recht statisch vorstellen. Das beginnt damit, dass wir uns vorstellen, welchen Beruf sie hat, wie alt sie ist, wie sie aussieht, ob sie verheiratet ist, ob sie ein Haustier hat...

 

So etwa: Emma, 63, lebt mit ihren Katzen auf einem Hausboot. Frührentnerin, rote Haare.

 

Sinnvoller wäre, uns zu fragen: Wovor hat Emma Angst? Wonach sehnt sie sich heimlich? Mit wem hat sie Streit?

Die klassische Frage (erinner dich an "wofür würde sie alles andere eintauschen?") lautet: Was wäre das Schlimmste, was ihr passieren könnte? Das kann eine gute Frage sein. Sie kann uns allerdings auch irreführen, weil wir die Person schon im Kopf haben und uns im Anschluss überlegen, wovor sie Angst hat.

 

Wir können auch etwas anders an die Sache herangehen: Welche Angst ist mir so wichtig, dass ich darüber schreiben will? Die Angst vor dem Älterwerden? Die Angst, jemanden zu verlieren? Die Kontrolle zu verlieren? Aufzufallen? Streit? In eine Situation der Verantwortung zu geraten?

Es kann sich um deine eigene größte Angst handeln. Es kann aber auch eine sein, die vielleicht gar nicht sehr groß ist, die du aber selbst nicht ganz verstehst. Warum ist sie eigentlich da? Wie funktioniert sie? Und - gibt das Thema genug her, um dich zu beschäftigen? Wenn es dich beschäftigt, kann es auch Leser beschäftigen.

Lauf nur nicht vor dem eigentlichen Thema weg.

 

Das kreative oder literarische Schreiben erlaubt dir, neue Bilder dafür zu finden. Du musst jetzt also nicht unbedingt den Weg beschreiben, wie Emma genau das Schlimmste passiert, das du dir für sie denken kannst. Es sei denn, man hat dich für das Drehbuch eines Hollywood-Bockbusters engagiert.

Emma hat Angst vor dem Tod? Dann musst du sie nicht unbedingt mit einer tödlichen Krankheit konfrontieren. Vielleicht hat sie vielmehr Angst "auszutrocknen", vielleicht ist ihre größte Angst, sich so weit vom Wasser zu entfernen, dass das Leben aus ihr weicht. Vielleicht fängt sie an, sich einzubilden, der Wasserpegel unter ihrem Hausboot sinke.

 

 

Schauen wir uns ein ähnliches, aber doch etwas anders gelagertes Problem beim Entwickeln von Figuren an: das Ausweichen.

Sagen wir, wir haben eine Szene vor Augen, in der wir eine Person besonders faszinierend finden - und das ist ja kein schlechter Anfang für einen Charakter. Wir stellen uns also zum Beispiel einen Turmspringer vor dem Sprung vor: die Anspannung, die Konzentration. Die Sehnsucht nach Schönheit. Die Frage, ob er in wenigen Sekunden zur Perfektion finden wird.

 

Aber für eine längere Geschichte oder einen Roman reicht das noch nicht aus. Wir denken uns also, dass wir über diesen Turmspringer schreiben wollen und überlegen, wie er so lebt. Ob er eine Freundin hat, wie er zum Sport gekommen ist, wo er trainiert und so weiter... Und in all diesen Fragen bewegen wir uns vielleicht auch irgendwo um den Kern herum. Aber wir graben nicht tiefer in ihn hinein, wie es wohl besser wäre.

Denn die wichtigen Fragen wären doch eigentlich eher: Was ist Perfektion für ihn? Wie fühlt sich Konzentration für ihn an? Wie kämpft er um Perfektion, welche Schritte in diesem Kampf geht er? Welche ist er schon gegangen – und welche ist er eben noch nicht gegangen? Wenn ich nicht eigentlich eine Beziehungsgeschichte schreiben will, ist die Freundin erst einmal vollkommen sekundär und sollte zunächst, bis ich zu ihr komme, auch so behandelt werden.

 

 

Zum Schluss habe ich

11 mögliche Fragen an deine Figuren:

  • Mit wem bist du befreundet?
  • Warum bist du mit dieser Person befreundet?
  • Mit wem bist du verfeindet?
  • Warum bist du mit dieser Person verfeindet?
  • Wer liebt dich?
  • Wer liebt dich nicht?
  • Warum hasst du die Welt?
  • Warum liebst du die Welt?
  • Was ist das einschneidende Erlebnis deiner Kindheit?
  • Was ist das einschneidende Ereignis deiner Erwachsenenzeit?
  • Wie stirbst du?

Nimm dir eine Menge weißer Blätter zur Hand. Beantworte die Fragen für deine Figuren nicht unbedingt hintereinander, sondern einzeln, auf extra Blättern, vielleicht mit Zeichnungen, handschriftlich. Antworte zunächst intuitiv, nicht logisch. Die einzelnen Antworten können einander widersprechen. Sie müssen nicht aufeinander aufbauen. Wenn du die Antworten gegeben hast, überleg dir, was davon dir wirklich wichtig ist, und welche Frage du gerade unwichtig oder unpassend findest. Dann geh von dieser einen Antwort aus, die dir wichtig ist. Vielleicht hast du auch eine eigene Frage an deine Figur, die dir entscheidender erscheint.