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Zu Musik schreiben

Songs und Worte: Zu Musik schreiben

 

Schreibst du mit Musik oder ohne?

Wenn Musik bei deinem Schreiben eine Rolle spielt, wie sieht diese dann aus? Läuft Musik bei dir im Hintergrund? Lässt du dich von einem bestimmten Lied anregen? Nutzt du Melodien bewusst, um dich in eine bestimmte Stimmung zu bringen? Oder sollen sie konkrete Erinnerungen hervorbringen?

Oder – willst du einfach nur Stille?

 

Manche Autoren und Schreiblehrer geben Tipps für Musik, die dir beim Schreiben helfen kann oder soll. Manchmal haben sie sogar eine konkrete Playlist parat. (Okay, ich auch.)

Bevor ich dazu komme, sind hier aber zwei schlichte Erkenntnisse aus Psychologie und Neurologie:

  1. Musik lenkt ab und stört unsere Konzentration.

  2. Allgemein gültig stimmungsaufhellende, beruhigende, anregende, Kreativität fördernde Musik gibt es nicht.

Zu 1) Traurig, aber wahr. Auch ich liebe Musik, höre sie sogar beim Schreiben – aber dass Musik unsere Konzentration erhöht, ist ein Mythos. Sie beansprucht immer einen Teil unserer Hirnleistung. Willst du Musik zum Lernen nutzen, wird deshalb empfohlen, sie nach dem Lernen zu hören – das führt zu emotionalen Verknüpfungen, die den Lernprozess tatsächlich unterstützen können.

 

Trotzdem können wir Musik als konzentrationsfördernd empfinden. Das geschieht, wenn sie in uns positive Gefühle hervorruft. So kann sie uns motivieren, stimulieren oder beruhigen.

 

Beim Schreiben kann sie helfen, den inneren Zensor abzuschalten, diese kleine Person in unserem Kopf, die uns sagt, wovon wir besser die Gedanken lassen. Musik kann uns helfen, von einer abstrakteren, rational orientierten Denkweise zu einer emotionaleren zu kommen. Wer meint, zu kontrolliert an das Schreiben heranzugehen und seine Gefühle nicht wirklich zu erreichen, dem hilft Musik bisweilen.

 

Dabei ruft sie aber keine freie Kreativität und Loslösung hervor. Vielmehr bringt uns Musik in eine recht spezifische Stimmung, die je nach Persönlichkeit mehr oder weniger ausgeprägt sein kann.

Also Ohren auf: Ist das wirklich die Musik, die du für deinen Text willst? Bestimmt und beschränkt sie dich nicht zu sehr? Passt sie zu dem, was du willst? Sie kann zum Beispiel dazu führen, dass du einen aus der Erinnerung geschriebenen Text intensiver empfindest – und dich dazu verführen, stärkere Worte zu wählen, als du es eigentlich willst. Sie kann dich deinen Text auch so emotional empfinden lassen, dass du nicht merkst, dass du diese Gefühle gerade in den Text hineinliest - und jemand, der die Worte ohne Musik liest, diese Empfindungen später gar nicht darin finden kann...

 

Ich rate dir also keineswegs vom Schreiben mit Musik ab! Ich möchte dich nur darauf aufmerksam machen, welche Effekte sie haben kann - und welche nicht. Wollen wir mit kühlem Kopf einen Text planen oder überarbeiten, sollten wir die Musik abschalten, denn dabei hilft nicht einmal Bach, sondern nur Stille.

 

Zu 2) Obwohl es einen bestimmten Rhythmus, eine bestimmte Melodiefolge zu geben scheint, die uns zum Beispiel als „fröhlich“ erscheint, sind diese Empfindungen tatsächlich sehr subjektiv.

Eine Emotion wie Freude entsteht in uns durch die Erwartung eines bestimmten Geschehens und die entsprechende Erregung von Nervenzellen. Welche Tonfolgen wir erwarten und inwiefern diese dann in einem Musikstück eingelöst werden, ist aber unter anderem abhängig von unseren musikalischen Vorerfahrungen.

Natürlich sind wir schon kulturell geprimt, also vorgeprägt. Deshalb haben Menschen mit den gleichen musikalischen Vorerfahrungen statistisch betrachtet relativ ähnliche Vorstellungen von einem "fröhlichen" Lied. Der einzelne Mensch kann aber auch davon vollkommen abweichen.

 

Bestimmte Erfahrungen sind für beinahe alle Menschen gleich. So ähnelt zum Beispiel der Klang des Cellos der menschlichen Stimme, weshalb wir es oft als angenehm und besonders persönlich empfinden. Letztlich aber beruht alles auf den Erfahrungen, die wir mit Musik gemacht haben – und unserer ganz eigenen Verarbeitung dieser Erfahrungen.

 

„Kreativitätsanregende“ Musik gibt es leider noch viel weniger. Wie sehr unser Gehirn von einem bestimmten Musikstück bereits beschäftigt wird, wie sehr es dadurch in Erinnerungen einsteigt, wie schnell es erwartete Töne ergänzt, das alles ist individuell. Bestenfalls kann man sich einen statistischen Durchschnittsmenschen anschauen, auf den statistisch gesehen ein bestimmtes Stück so und so wirken müsste.

„Musik zum Schreiben“ zu empfehlen ist daher eigentlich unmöglich. Trotzdem habe ich zwei Playlists erstellt, die ich selbst als anregend und motivierend zum Schreiben empfinde. Wenn du möchtest, kannst du ja mal hineinhören. (Du findest sie unter diesem Artikel.)

 

 

Natürlich kannst du auch gezielt zu bestimmter Musik schreiben.

Wenn du an einem längeren Text arbeitest, kannst du dir Musik dazu auswählen oder dir eine Playlist erstellen, die dich in immer dieselbe Stimmung bringt. Das ist eine Möglichkeit, für dich selbst eine spezifische Atmosphäre herzustellen, die du im Text transportieren willst. Hörst du die Musik, wird sie sich unweigerlich heimlich in deinen Text stehlen.

 

Schreibst du autobiographisch, kannst du dir eine Liste mit Musik aus deinem Leben erstellen. Mit manchen Liedern verbinden wir konkrete Erinnerungen und sie zu hören, kann unser Gedächtnis stimulieren.

Die Liste kann ganz unterschiedlich lang sein, aus drei oder fünfzig Stücken bestehen. Aber such lieber nicht gezielt zu jedem Lebensjahr ein Lied aus, sondern wähle die Stücke, die wirklich etwas in dir auslösen: die Lieder, mit denen du einen besonderen Moment oder eine besondere Version deiner selbst verbindest.

 

Zum Stöbern kann man natürlich auch mal Charts aus den entsprechenden Jahren durchschauen und manchmal entdeckt man Lieder, die man fast vergessen hatte, und die doch eine Bedeutung haben...

 

 

Texte

Schließlich kann natürlich auch allein der Text eines Lieds etwas in dir auslösen, ganz wie ein Gedicht. Ich selbst finde es schwierig, mich davon anregen zu lassen, wenn ich die Musik zum Text kenne, denn die fügt schließlich immer noch eine andere Ebene hinzu. Ich lese aber gerne Songtexte, deren musikalische Seite ich nicht kenne! Es gibt Bücher wie zum Beispiel von Bob Dylan, Lyrics: Sämtliche Songtexte 1962-2012, von Patti Smith, Collected Lyrics 1970-2015, oder auch entsprechende Sammlungen im Internet.

 

Ich persönlich mag die Texte von Björk sehr. Bob Dylan hat immerhin den Literaturnobelpreis für seine Texte bekommen. Deutsche Texte, die ich interessant finde, haben beispielsweise Wir sind Helden oder Wanda zu bieten.